[9] Die Legende der Steine von Coadry

Die Ähnlichkeit zwischen dem Stein von Coadry und dem Heiligen Kreuz war so offensichtlich, dass es in der Überlieferung eine Verbindung zwischen ihnen gegeben haben musste.

Vor einem Jahrtausend gab es in Coadry einen heidnischen Tempel. Eines Tages kamen die Heilige Candide und der Pater Ratian, um die Bevölkerung dieser Gegend zum Evangelium zu bekehren. Der Tempel leerte sich infolgedessen von Gläubigen und verfiel vollständig zu Ruinen.

So geschah es, dass das Schloss des Grafen von Trevalot eines Tages von seinem grausamen und gefährlichen Rivalen, dem Herrn von Coaforn, belagert wurde.

In dieser Gefahr fühlte der Graf, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte, und weil er ein frommer Christ war, gelobte er, im Falle seines Sieges eine Kapelle zu Ehren Christi zu erbauen. Das brachte ihm den Sieg!

Also liess der Graf seinen Wagen mit zwei Ochsen anspannen und jagte das Gespann vom Hofe seines Herrensitzes. In der Nähe der alten Tempelruinen von Coadry hielten die Ochsen in ihrem Lauf inne. An diesem Ort sollte also gemäss dem Gelübde des Grafen die Kapelle von Coadry erbaut werden.

Kaum aber waren die Arbeiter am Platz, um sich an die Arbeit zu machen, als die riesigen Brombeerranken, die den Tempel bedeckten, verschwanden, sich die schönsten Blumen ausbreiteten, die Steine des Kreuzes erschienen und eine Quelle entsprang, die mit einer besonderen medizinischen Kraft versehen war, welche Pilger von sehr weit her veranlasste, dorthin zu kommen.

Man erzählte sich sogar, dass die Kapelle mit Hilfe eines 25 Meter grossen Riesen erbaut wurde.

Im 12. Jahrhundert wütete eine Hungersnot und die Pilger wurden für das Übel verantwortlich gemacht. Die Kapelle wurde durch den Pöbel in Brand gesteckt. Der Rauch des Feuers verschwand jedoch von den Haufen der “Steine des Kreuzes”, der Windrichtung Ost-West folgend bis hin nach Coadry selbst.

Zwei Jahrhunderte später hatte man den Namen des Heiligen vergessen, zu dem man in der Kapelle gebetet hatte. Man fragte also Gott, wem man sie am besten weihen sollte. Nach der Überlieferung heisst es in einem alten bretonischen Lied: “Unter diesen Steinen tragen die einen das Kreuz, die anderen die Nägel und die Dornen der Krone”.

Folglich weihten die Menschen dieser Gegend die Kapelle Christus. So kam es, dass die Wallfahrten nach Coadry wieder zunahmen. Die Armen verkauften gar die Kreuzsteine an vorbeiziehende Pilger. Vor einem Jahrhundert wurden sie für die Summe von 0,25 Francs (0,25 F in Gold wohlgemerkt !) gehandelt.

Die Steine von Coadry sollten den Schutz vor Schiffbruch, vor tollwütigen Hunden, vor Augenkrankheiten und vor dem Wahnsinn garantieren.